Krieg in der Ukraine Ulrich Kosub-Kirchner

 

Seit Ende Februar 22 berichten unsere Medien ausführlich über den Krieg in der Ukraine, über die mutmaßlichen Kriegsverbrechen der russischen Truppen, über das Leiden der Zivilbevölkerung und ihre Flucht vor dem Kriegsgeschehen. In welchem Maße die tapfere Verteidigung der Ukraine auch von Menschenrechtsverletzungen begleitet wird, erfahren wir nicht. Was wir auch nicht oder nur oberflächlich und am Rande erfahren, ist eine Auseinandersetzung mit der Spaltung der Gesellschaften durch diesen Krieg, seine Befürworter und seine Gegner.

Dank Putins Krieg haben die Kalten Krieger derzeit Oberwasser. Jetzt können sie in Deutschland genüsslich zerreißen was sie nicht mögen: Das ist die Linke im Land, in welcher Formation sie auch auftreten mag und es ist Russland, das als Ersatz für den verlorenen Erzfeind im Westen herhalten muss. Ihre Begeisterung für Militär, Rüstung und Waffen jeder Art und jeder Menge brauchen Kalte Krieger nicht mehr zu verbergen. Das ist auch im Interesse des militärisch-industriellen Komplexes der USA den Ex-Präsident und General Eisenhower kenntnisreich beschrieben und vor dessen Vorherrschaft in Politik und Gesellschaft er gewarnt hat. Seine Warnung wurde vom Winde verweht. Bis heute sind Politik und Wirtschaft in den USA kriegsgeleitet.

Die Gleichsetzung von „Putin-Verstehern“ und den Linken geht in die Leere, denn Putin war nie ein Linker. Was unseren Linken aber bleibt, ist erstens Friedenspolitik und die erfordert trotz dem Despoten im Kreml auf lange Sicht Respekt vor den Sicherheitsinteressen Russlands. Nur die Gemeinsame Sicherheit bietet die Chance auf ein friedliches Nebeneinander der Staaten und eine friedliche Entwicklung der Ukraine. Die historische Aufgabe der aus dieser Sicht entwickelten OSZE ist schon einmal daran gescheitert, dass der Regime-Change in der UdSSR vom Westen über das Sicherheitsinteresse gestellt wurde. Wenn dieses Ziel endlich aufgegeben wird, müssen auch die Kalten Krieger aufgeben.

Zweitens muss die Linke im Land und in Europa die massiven Rüstungspläne öffentlich kritisieren. Da geht es nicht nur um die vielen Milliarden, die für Militär und Rüstung ausgegeben werden sollen. Hier muss konsequent gegen ein Mythos vorgegangen werden: In den Köpfen vieler Menschen steckt immer noch die Vorstellung, dass mit (Waffen-) Gewalt Konflikte gelöst werden können. Nicht nur der Afghanistan-Krieg und der Militäreinsatz in Mali haben den Beleg dafür geliefert, dass mit Waffen die Probleme der Menschen in diesen Ländern nicht gelöst werden können. Analysen der Kriege des 20. Jahrhunderts belegen, dass auf militärische Siege oft autoritäre Diktaturen folgen und dass gewaltfreier Widerstand eher zu demokratisch ausgehandelten Kompromissen führt.

Putin hat die Mehrheit der reaktionären und mächtigen orthodoxen Popen in seinem Boot. Sie predigen in den Kirchen ihre und Putins nationalistische Phrasen, die sie verbinden mit einem Wertesystem aus dem 19. Jahrhundert. Offenbar wird Putin auch gestützt durch die Mehrzahl der Oligarchen und eine ihm hörige Militäradministration, die Sicherheitsdienste und die Polizei. Trotzdem wird seine absurde Geschichtsklitterung zur Begründung des Krieges und die Überschätzung faschistischer Gruppen und Akteure in der Ukraine vor der Geschichte keinen Bestand haben.

Wenn es in der Ukraine je eine faschistische Gefahr gegeben haben sollte, so war sie 2014 einigermaßen real, als ein Mitglied des „Rechten Sektors“ zum Generalstaatsanwalt ernannt, einige Ministerien mit Rechtsextremisten besetzt sowie Sicherheits- und Polizeikräfte unter rechtsextreme Leitung gestellt wurden. Dieser Generalstaatsanwalt sah keine Veranlassung die verschiedenen Verbrechen des „Rechten Sektor“ im Zusammenhang mit dem Maidan-Putsch zu untersuchen, so z.B. das Massaker an regimekritischen Demonstranten, die sich vor der Gewalt des „Rechten Sektors“ am 2. Mai 2014 in Odessa in das Gewerkschaftshaus geflüchtet hatten, das dann von den faschistischen Aktivisten in Brand gesteckt wurde. Die Opferzahlen lagen geschätzt zwischen 50 und 100 Toten.

An den Bürgerkriegs-Kämpfen im Donbass, der Bergbau- und Industrieregion des Landes, nahmen vermutlich etwa vierhundert Söldner des Unternehmens „Academi“ - früher „Blackwater“ - mit Sitz in den USA teil. Die regulären ukrainischen Truppen wurden außerdem von faschistischen Freiwilligenverbänden unterstützt, u. a. durch das Bataillons „Asow“ unter Führung des Neofaschisten Andrey Biletsky, der bis heute sein Unwesen in der Ukraine treiben darf.

Im Zusammenhang mit dieser Problematik drängt sich aber auch die Frage auf, was die russische Regierung ihrerseits bisher gegen die Aufmärsche russischer Faschisten z.B. in Moskau am „Tag der Volkseinheit“, dem 4. November, (gesetzlichen Feiertag seit 2005) unternommen hat. Zu diesen faschistischen Aufmärschen mit tausenden Teilnehmern hat auch der im Westen medial so freundlich behandelte „Dissident“ Nawalny regelmäßig aufgerufen.

Putins Begründung für den Krieg gegen die Ukraine signalisiert die geistige, ideologische, wirtschaftliche und politische Isolierung, in der sich die Herrschenden in Russland bewegen. Putins Tage sind gezählt. Aber über Russlands Zukunft und Entwicklung dürfen nicht Washington oder Brüssel entscheiden – das ist allein Sache der russischen Bevölkerung.